Sonntag, 3. April 2016

Vanille - der Lieblingsduft der Welt näher betrachtet (oder berochen!)


Foto: (C) Eva Derndorfer

Wer sich näher mit Essen beschäftigt weiß, dass es Vanille aus verschiedenen Anbaugebieten gibt, kennt neben Bourbonvanille zumindest die Tahitivanille. Aber dann wird’s meist eng mit der Vanilleerfahrung. Pomponavanille? Die bekommt man seltener, und weiß ihren Geruch nicht automatisch einzuschätzen. Und wie unterscheidet sich die Gewürzvanille aus verschiedenen Anbauländern? Und warum?


Zuerst die Praxis, dann die Theorie: Ich habe in der Karwoche ein sensorisches Experiment mit Studierenden der FH Joanneum, Angewandte Ernährungsmedizin, durchgeführt. Die 15 Studierenden bekamen 6 Stück Vanilleschoten, jeweils in einem kleinen verschlossenen Plastikbecher, codiert, ohne Information zu Sorte oder Herkunft der Vanille. Sie hatten die Aufgabe, die Vanilleproben auf Basis des Geruches nach Ähnlichkeit in Gruppen zu sortieren. Ähnlichere Vanillen sollten zusammen gruppiert, unterschiedlichere in verschiedene Gruppen sortiert werden. Bei 6 Vanillen heißt das, dass 2 oder 3 Gruppen gebildet werden konnten, entweder drei Paare, oder ein Paar und ein Quartett, oder zwei Dreiergruppen. Es war quasi keine Blindverkostung, sondern eine "Blindverriechung" :-).

Im Riech-Set war Gewürzvanille (Vanilla Planifolia) aus Mexiko, Madagaskar, Indien und Sri Lanka vertreten. Vanilla Planifolia stammt ursprünglich aus Mexiko, heute wird sie vor allem in Madagaskar und la Réunion als Bourbon-Vanille angebaut wird. Eine Probe Tahitivanille (Vanilla Tahitensis) - aus Tahiti - war ebenso dabei wie eine Guadeloupe-Vanille (Vanilla Pompona), die in Mittelamerika, v.a. in der Karibik beheimatet ist. Es gibt zwar etwa 110 Vanille-Arten, davon 15 aromatische, doch die drei genannten sind die wichtigsten.

Mit Hilfe der statistischen Methode „Multidimensionale Skalierung“ habe ich aus den Rohdaten der 15 individuellen Sortierungen einen Plot erstellt, um die relative Ähnlichkeit der Vanillen im Geruch darzustellen. Je näher die Proben auf der nachfolgenden Abbildung beisammen liegen, desto ähnlicher wurden sie von den Studierenden empfunden (sprich: desto mehr Personen haben sie in die gleiche Gruppe sortiert). Nun ist ein Datensatz von n=15 natürlich nicht 100% stabil, die Einigkeit der Studierenden war aber enorm groß, wie am Stress-Wert ermittelt werden kann. Liegt der Stress-Wert <10%, ist die Abbildung in zwei Dimensionen gut. Er lag in diesem Fall bei ca. 5%, was für eine sehr gute Repräsentation der Unterschiede in 2 Dimensionen steht.
Abb: (C) Eva Derndorfer

Wie man am Plot sieht, unterscheiden sich die 4 Vanilla Planifolia Proben - relativ betrachtet - deutlich voneinander (man beachte: das Ganze ist relativ, d.h. die Proben, die weiter voneinander entfernt sind, sind relativ gesehen stärker unterschiedlich als Proben, die näher beisammen liegen. Das sagt aber nichts über das absolute Ausmaß des Unterschiedes aus). Die Tahitivanille hat keinen wirklich nahen Nachbarn, oder - anders ausgedrückt - ein geruchliches Alleinstellungsmerkmal. (Das kann ich - ganz nebenbei bemerkt - auch bestätigen!)

Nun zur Theorie: Was unterscheidet die 6 Vanillen? Als Faktoren, die das Aroma beeinflussen kommen vor allem die Botanik (unterschiedliche Vanillearten), das Terroir (also die Herkunftsregion mit Klimaeinflüssen, Boden, etc.), die Verarbeitungsmethode, aber auch die Lagerung in Frage.

Die Verarbeitung, sprich: die Fermentation, ist in der Tat ländertypisch. Rao et al (J Sci Food Agric 80: 289-304, 2000) beschreibt in einem Review zum Vanille Flavour den mexikanischen Verarbeitungsprozess als zeitaufwendiger als jenen in Madagaskar. Bei der mexikanischen Methode (sun method) lässt man die Schoten zuerst ein paar Tage schrumpfen, dann kommen sie in Schwitzboxen, später in Reifungsboxen. Der Prozess dauert insgesamt 5-6 Monate. In Madagaskar (Bourbon method) werden die Schoten hingegen 7-15 Minuten in 80°C heißes Wasser getaucht, bevor sie fermentieren und trocknen. Der Prozess ist nach 35-40 Tagen abgeschlossen. Demzufolge ist es nicht überraschend, wenn sich Vanilla Planifolia aus unterschiedlichen Herkünften unterscheidet. Auch auf der Verpackung der von mir verwendeteten Madagaskarvanille wurde der Blanchierprozess beschrieben, trifft also auf diese Probe zu.

Ein Hauptaromastoff echter Vanille ist das Vanillin, natürliche Vanille enthält darüber hinaus aber zahlreiche weitere Aromastoffe. Aromastoffanalysen bescheinigen der Tahitivanille besonders anisartige Aromen, während Vanilla Planifolia aus Madagaskar mehr Vanillin, mehr Guaiacol und Phenol, mehr Ester enthält (Brunschwig et al, J Sci Food Agric 96:848-858, 2016). Demgemäß fiel auch die sensorische Beschreibung von Vanilla Planifolia in dieser Studie aus, die als stärker phenolisch, holzig und rauchig, sowie tendenziell stärker fruchtig und würzig im Vergleich zur Tahitivanille beschrieben wurde. Vanilla tahitensis wurde ausgewogener, mit Anis- und  Karamellnoten beschrieben.

Die von mir verwendeten Schoten habe ich allesamt bei Babette’s in Wien erstanden. 5 Proben haben ein MHD im Jahr 2017, die Madagaskarvanille 2018, ist also etwas frischer. Das kann das Ergebnis natürlich ebenso beeinflussen. Auf der Verpackung werden die Proben im Aroma wie folgt beschrieben:
  •  VP aus Süd-Indien: Schokolade, gekochte Milch, Karamell
  • VP aus Sri Lanka: breit, schwer, betörend
  • VP aus Madagaskar: komplexes Aromenspiel
  • VP aus Mexiko: nicht süß, sondern herb, schwer, fast ledrig, blumiges Bouquet zum Abschluss
  • Tahitivanille aus Tahiti: üppige Blumennoten, überreife Fruchtexoten, Spur Tabak, Anis-Kribbeln
  • Pompona Vanille: fruchtig, Kirschblüten, geröstete Mandeln, fruchtiger Rum, Honig, Rooibostee. Vanillin enthält die Pomponavanlle quasi nicht.
 
Vanille gilt übrigens als der beliebteste Duft der Welt, er wirkt stimmungsaufhellend und entspannend. Untersuchungen haben gezeigt, dass Vanille von der mütterlichen Nahrung ins Fruchtwasser tritt, und dass Babys schon am Tag der Geburt positiv auf Vanillegeruch reagieren. Früher wurde Flaschenmilchnahrung häufig mit Vanille aromatisiert. Auch das ist wohl ein Grund, warum viele der heute Erwachsenen eine hohe Affinität zu diesem süßen Gewürz haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen